Wie organisiere ich Brandschutz? Teil II: Die 360°-Analyse
Auf dem Papier sieht alles gut aus.
Die Brandschutzordnung ist aktuell, der Plan für Wartungen und Prüfungen liegt vor, die Genehmigungsunterlagen sind vollständig. Haken dran an den Dokumenten-Check.
Jetzt kommt der Rundgang durch das Gebäude – und die Realität zeigt oft ein anderes Bild als die Unterlagen: Die Brandschutztür im Lager ist beschädigt. Ein ehemals freier Flucht- und Rettungsweg wird als Abstellfläche genutzt. Und ein Rauchabzug ist außer Betrieb – unbemerkt. Das ist leider Alltag in vielen Gebäuden.
Und genau deshalb ist die 360°-Analyse im betrieblichen Brandschutz so wichtig:
Sie ist der Abgleich zwischen SOLL und IST. Zwischen dem, was geplant, dokumentiert und genehmigt wurde – und dem, was nach etlichen Jahren im Betrieb tatsächlich vor Ort vorhanden ist und funktioniert – oder auch nicht.
Denn wir befinden uns hier im Kontext von Bestandsgebäuden – also Gebäuden, die sich häufig über viele Jahre hinweg verändert und entwickelt haben. Umnutzungen, kleinere Umbauten oder technische Nachrüstungen im Alltag sind normal. Doch nicht immer wird dabei auch der Brandschutz mitgedacht.
Der Realitäts-Check
Die 360°-Analyse prüft also nun, ob das, was in der Dokumentation steht, mit dem Ist-Zustand des Gebäudes immer noch übereinstimmt. Sie ist eine umfassende Bestandsaufnahme – und zwar direkt vor Ort.
Was passiert bei der 360°-Analyse?
1. Begehung mit geschultem Blick
Die Analyse beginnt mit einem Gang durch das/die Gebäude. Das klingt vielleicht banal, ist aber entscheidend. Denn die Begehung durch Brandschutz-Experten deckt auf, was Pläne und Dokumente nicht zeigen (können): unzulässige Zwischenlagerungen mitten im Fluchtweg, blockierte Türen oder fehlende Beschilderungen.
2. Überprüfung brandschutztechnischer Einrichtungen
Das bloße Vorhandensein der Einrichtungen reicht dabei nicht. Die 360°-Analyse prüft deswegen: Sind alle notwendigen Sachverständigen-Prüfungen dazu vorhanden, aktuell und mängelfrei? Und entsprechen die Anlagen dem dokumentierten Zustand?
3. Vergleich mit Genehmigungsunterlagen und geltendem Recht
Zuletzt führen wir einen Abgleich zwischen Plan und Wirklichkeit durch: Stimmen die baulichen Gegebenheiten mit den genehmigten Plänen überein? Gibt es brandschutztechnische Änderungen, die nie offiziell erfasst wurden? Und entsprechen die Maßnahmen den Anforderungen, die heute gelten – oder laufen Unternehmen in eine rechtliche Grauzone?
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: In der Dokumentation ist eine Brandschutztür der Klasse T30 vorgesehen – vor Ort wurde sie beim letzten Umbau aber durch eine einfache Innentür ersetzt oder beschädigt. Solche Diskrepanzen zwischen Planung und Wirklichkeit sind keine Seltenheit.
Was bringt die 360°-Analyse konkret?
Die 360° Analyse liefert als Ergebnis einen detaillierten Bericht, der Klarheit und Handlungsfähigkeit bringt. Er
- zeigt identifizierte Mängel und Defizite auf,
- benennt daraus resultierende Haftungsrisiken (sofern vorhanden),
- gibt Empfehlungen für Maßnahmen und
- nimmt eine Priorisierung nach Dringlichkeit vor.
Dieser Bericht ist also nicht nur ein Status-Check, sondern auch die Basis für Planung und Entscheidungen – sei es für die Instandhaltung, eine Modernisierung oder ein Brandschutz-Update sowie die zugehörige Budgetierung.
Fazit: Nur wer weiß, wo er steht, kann sinnvoll handeln
Die 360°-Analyse ist ein essenzieller Schritt, um den Brandschutz in bestehenden Gebäuden realistisch, systematisch und wirksam zu organisieren. Brandschutz ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Und dazu gehört eine ehrliche Bestandsaufnahme, die Transparenz schafft, bevor es kritisch wird – und so verhindert, dass sich Unternehmer, Geschäftsführer und Betreiber in falscher Sicherheit wiegen.
Im nächsten Teil unserer Serie klären wir die Frage, wer eigentlich für den Brandschutz in Unternehmen verantwortlich ist. Denn auch klare Zuständigkeiten gehören zu einem funktionierenden Brandschutzsystem.
Serie „Wie organisiere ich Brandschutz effizient?
• Teil I – Dokumentation & Dokumenten-Check